Sozialistische Zeitung |
Typisch deutsch: In "unserer deutschen Art", so Christian Führer, Pfarrer in Leipzig, sei die
Forderung nach Freiheit im Osten der Republik "übererfüllt" worden. Rechtsextremismus, Arbeitslosigkeit,
Drogenabhängigkeit und Gewalt greifen um sich, stellte der Pfarrer beim Friedensgebet anlässlich des zehnten Jahrestags der ersten
großen Montagsdemonstration in Leipzig fest. Doch wer jetzt ruft "Das hätte es früher nicht gegeben!" irrt. Nein,
so hat der Pfarrer das natürlich nicht gemeint.
Trotzdem fragt sich der Theologe, ob die Menschen denn jetzt - sprich im
Kapitalismus - wirklich frei sind. Da wissenschaftliche Methoden nicht zum Repertoire des Theologen zu gehören scheinen, muss wieder
das Individuum und seine angebliche Unfähigkeit, mit der Wirklichkeit angemessen umzugehen, herhalten: Drogen, Gewalt und Nazis -
alles eine Folge von zuviel Freiheit.
Kausalitäten, wie sie nur in einer Kirche Bestand haben
können. In den heiligen Hallen steht niemand auf und ruft: "Das ist doch unlogisch, was Sie da erzählen." Wenn der
Mann doch so konsequent wäre und jetzt verschärfte staatliche Repression fordern würde! Macht er natürlich nicht.
Wir sind ja nicht in der DDR.
Doch was tun, wenn die Menschen mit den schlechten Verhältnissen
nicht klarkommen? Die Verhältnisse ändern? Aber nein! Ganz im Sinne von Lady Diana fordert Führer die "Revolution
des Herzens". Stürzt euch nicht auf das blanke Geld, "der Materialismus sättigt die Seele nicht"!
Klar, Geld und Arbeit interessieren uns nicht, könnten da einige Leute ganz unmaterialistisch rufen. Doch so war das nicht gemeint.
Das Land müsse sich aufraffen, die Ärmel hochkrempeln und sparen, appelliert Führer. Wer Arbeit wolle, müsse sie
auch bekommen. All das könnte jetzt als Aufforderung zum Materialismus verstanden werden. Doch dahinter steckt etwas anderes: Wer
arbeitet, kommt nicht auf dumme Gedanken. Und hat auch bessere Laune, vor allem an den Wochenenden. Das ist auch dringend nötig,
denn Pfarrer Führer hat festgestellt: "Die Nation hat schlechte Laune." Amen!