Sozialistische Zeitung |
Jörg Haider hat es bei den Nationalratswahlen Anfang Oktober endgültig geschafft, seine
FPÖ zu einer bestimmenden politischen Kraft zu machen.
Mit 27,2% der Stimmen liegt die FPÖ nach diesen Wahlen ganz
knapp vor der bisher stärksten bürgerlichen Partei ÖVP (26,9%). Noch sind die Wahlkarten nicht ausgezählt und ein
amtliches Endergebnis liegt nicht vor. Doch das sind Zehntelprozentänderungen, das Kräfteverhältnis ist klargestellt. Die
SPÖ verlor weiterhin (33,3%), und im bürgerlichen Lager gab es eine Verschiebung: seit 1945 schnitt die ÖVP, die
traditionelle Partei der Gewerbetreibenden und Bauern, die von der Industrie unterstützt wird, noch nie so schlecht ab.
Der Wahlsieg hat die FPÖ endgültig zu einer
Größe gemacht, die nicht mehr übergangen werden kann. Einerseits besteht die Möglichkeit, dass sie mit der
ÖVP in eine Regierungskoalition kommt (die Führung der ÖVP ist in dieser Frage nicht einer Meinung); andererseits hat die
FPÖ nunmehr auch in der Opposition großes Gewicht (53 von 189 Abgeordneten im Nationalrat sind FPÖler).
Haiders Triumph bedeutet aber auch einen Rechtsruck in der
österreichischen Gesellschaft. Erstmals hat die Mehrzahl der ArbeiterInnen FPÖ gewählt. Das Wahlkampfkonzept, sich als
Vertreter der "kleinen Leute" und als legitimer Nachfolger der Gründungsväter der österreichischen
Sozialdemokratie zu präsentieren, ging voll auf. Die Sozialdemokratie konnte oder wollte dem nichts entgegensetzen. Nicht vergessen
darf man zudem, dass die SPÖ seit den 70er Jahren jene patriarchalische Politik verfolgt, die Haider heute erfolgreich propagiert.
"Gebt uns nur die Macht, dann werden wir uns um eure Interessen kümmern", hieß einst das Credo der SPÖ und
des mit ihr eng verflochtenen Gewerkschaftsbunds. Nicht anders macht es Jörg Haider jetzt.
Er setzte auf zwei Themen: die offen rassistische Hetze gegen
"Ausländer" und soziale Forderungen. Im Mittelpunkt der Ausländerhetze standen die "schwarzen
Drogendealer". Damit hatte die FPÖ leichtes Spiel, einerseits weil sie durch zahlreiche Sympathisanten im Polizeiapparat an
Informationen kam, die sie wahltaktisch verwerten konnte, andererseits weil sie sich gerade mit diesem Schwerpunkt mit dem
sozialdemokratischen Innenminister Schlögl auf einer Linie wusste.
Erfreulich ist das Ergebnis der Grünen, die mit 7,4% auch
sozialdemokratische WählerInnen für sich gewinnen konnten. In einigen Wiener Arbeiterbezirken konnten sie bis zu 10% der
Stimmen erreichen. Es ist eine Wählerschaft, die die "weiche" Haltung der SPÖ gegenüber Haider ablehnt.
Außerdem haben die österreichischen Grünen trotz interner Querelen die NATO-Bombardements abgelehnt und gelten in der
Öffentlichkeit als Ausländerpartei.
Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) erzielte
landesweit 0,3%, in einigen Regionen bekam sie allerdings beachtliche Stimmengewinne.
Das Liberale Forum, gegründet von FPÖ-Politikern, die mit
Haiders Ausländerpolitik nicht einverstanden waren, schaffte diesmal die 4%-Hürde nicht und scheidet aus dem Nationalrat aus.
Seiner Parteichefin Heide Schmidt kommt das Verdienst zu, im Wahlkampf am schärfsten gegen den Rassismus der FPÖ aufgetreten
zu sein. Außer in der Ausländer- und Minderheitenpolitik präsentierte sich das LIF allerdings als beinharte Partei des
Neoliberalismus. Flexibilisierung, konsequente Privatisierung und Ausweitung der Sonntagsarbeit lagen dem LIF besonders am Herzen.
Jörg Haider ist kein Neonazi, Österreich keine Nazirepublik.
Allerdings hat die extreme Rechte nun eine mächtige Heimat in der FPÖ und ein einflussreiches Umfeld gewonnen. Was die
traditionelle österreichische Konsenspolitik gefährden wird, ist die Schwäche von SPÖ und ÖVP. Wenngleich
die Abgeordneten der ÖVP traditionell versuchen, eine Politik im Interesse der Unternehmer durchzusetzen, so fühlen sie sich doch
den Institutionen und Strukturen der Sozialpartnerschaft verpflichtet. Die FPÖ wird die ÖVP in dieser Rolle nicht bruchlos
ablösen können. Ihr Spitzenkandidat Thomas Prinzhorn ist ein superreicher Unternehmer, der die Kollektivverträge lieber
heute als morgen abschaffen würde. Gewerkschaften sind für die FPÖ bloß ein Quell für Privilegien und
Zusatzeinkommen für Funktionäre.
Einflussreiche konservative Medien und Politiker üben jetzt starken
Druck aus, die Koalition SPÖ/ÖVP fortzusetzen. Zu unkalkulierbar ist ihnen eine FPÖ an der Regierung, zu viel
internationales Ansehen steht für den vielbeschworenen "Wirtschaftsstandort Österreich" auf dem Spiel. Doch
Jörg Haider hat es nicht eilig. Die Verhandlungen über den nächsten Haushalt - nach dem Wahlkampfversprechen der
SPÖ, es werde kein "Sparpaket" mehr geben, die Einführung des Euro mit den damit verbundenen
Umstellungsproblemen - all das garantiert eine Legislaturperiode, in der sich die gestärkte FPÖ weiter als "Anwältin
der kleinen Leute" profilieren wird.
Die Sozialdemokratie hingegen ist gefangen im neoliberalen Europakurs.
Ob sich der Gewerkschaftsbund von der einst mächtigen Mutterpartei emanzipiert, wird sich noch zeigen. Wenn nicht, wird er den
thatcheristischen Attacken der FPÖ wenig entgegenzusetzen haben.
Boris Jezek, Wien
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