Sozialistische Zeitung |
Ihr seid wieder willkommen in Number 10", rief der britische Premierminister Tony Blair den
Delegierten beim Gewerkschaftstreffen des Gewerkschaftsdachverbands Trades Union Congress (TUC) mit Blick auf seinen Amtssitz in der
Downingstreet zu. Das Treffen war geprägt vom Geist einer neuen Sozialpartnerschaft von Gewerkschaften und Unternehmern - wobei
die weitestgehenden Vorschläge nicht einmal von New-Labour-Chef Blair, sondern aus den Gewerkschaftsreihen selber kamen.
So schlug Gewerkschafter Ken Jackson (AEEU) vor, der TUC solle auf
seine eigene jährliche Konferenz verzichten und statt dessen eine zweimal jährlich stattfindende Konferenz einberufen, und zwar
zusammen mit dem Unternehmerverband. Da brachte Blair gleich den Gedanken ins Spiel, dass doch auch die Regierung an einer solchen
Konferenz teilnehmen könnte.
Einwände gegen das Konzept Sozialpartnerschaft gab es auf der
Konferenz kaum. Viele der Einzelgewerkschaften haben selber Partnerschaftsabkommen abgeschlossen, einschließlich Abkommen
über Streikverzicht. "Die Tage, als es noch ‚die und wir hieß, sind vorbei", hieß es auf dem
Gewerkschaftskongress.
Auch die ablehnende Haltung der Gewerkschaften zum Beitritt
Großbritanniens zur Europäischen Währungsunion wurde aufgeweicht. Ein Gewerkschaftsfunktionär interpretierte die
Gewerkschaftsposition, nach der der Beitritt zur Währungsunion abgelehnt wird, jetzt dahingehend, dass Großbritannien nicht
beitreten sollte, bis die ökonomischen Bedingungen stimmen würden.
Aber es gab auch Gegenstimmen: Ken Cameron von der Gewerkschaft der
Feuerwehrleute forderte, die Verbindung zwischen der regierenden Labour-Regierung und den Gewerkschaften aufzukündigen. "Die
Labour Party sieht uns nicht länger als ihren natürlichen Verbündeten an, und wir können uns nicht länger auf sie
als unseren natürlichen Verbündeten beziehen." Den Gewerkschaften verdankt Labour immerhin ein Drittel ihrer gesamten
Einnahmen. "Warum sollten wir weiterhin Schecks für eine Partei ausstellen, die uns nicht mehr vertritt", fragte Cameron und
regte an, in Zukunft eben Organisationen oder KandidatInnen zu unterstützen, die sich für Gewerkschaftsinteressen einsetzen. Doch
eine ernsthafte Alternative zu Labour ist nicht in Sicht. Und der Einfluss in der Labour Party wäre weg.
Auch Labour steht vor einer Neuorientierung. Beim diesjährigen
Parteitag ist es auch um Programmatisches gegangen. Mehrere Arbeitspapiere sind in Umlauf, um nächstes Jahr verabschiedet zu werden.
"Rechte ohne Pflichten können zu Habgier und Konzentration nur auf das Eigeninteresse führen", heißt es in dem
Policy-Paper zu "Democracy and Citizenship". GewerkschafterInnen zeigten sich entsetzt. Das impliziere doch, dass sich Menschen
ihre demokratische Rechte nur verdienen könnten. Für AsylbewerberInnen sind in dem Papier keine Rechte vorgesehen.
Ähnliches findet sich im Papier zu Außenpolitik: "Die
gesamte Orientierung der Außenpolitik ist falsch, und zwar aus dem gleichen Grund wie die der Innenpolitik", so die Kritiker.
Immer werde davon ausgegangen, dass Marktwirtschaft und Freihandel zu größerem Wohlstand und Gleichheit führten.
Nach dem Ablauf des TUC-Kongresses ist nicht davon auszugehen, dass
die Gewerkschaftsführer Tony Blair in der Labour Party Steine in den Weg legen werden. Es sei zwar wichtig, dass die Linke ihre
Stimme auch auf Konferenzfluren erhebe, kommentierte die Zeitung Socialist Outlook. Doch letztendlich seien der Widerstand gegen
Privatisierungen und die Verteidigung des Wohlfahrtsstaats wohl besser in landesweiten und lokalen Kampagnen durchzuführen als in
"sterilen Debatten mit der Blair-Mafia".
Dirk Eckert
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