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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 14.10.1999, Seite 12

Neuformierung der Friedensbewegung

Seit dem Ende der Bombardierungen im Kosovo, die die Linke in Europa auf kaltem Fuß und in zersplittertem und desorientiertem Zustand erwischt haben, multiplizieren sich ihre Konferenzen, die versuchen, diesen fünften Balkankrieg in diesem Jahrhundert und seine Folgen zu begreifen. Es gibt auch Initiativen, die sich zum Ziel setzen, die Linke, die der Krieg tief gespalten hat, wieder handlungsfähig zu machen. Zwei davon ragen heraus und sollen deshalb hier vorgestellt werden.


Das Internationale Tribunal über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien

Die Initiative zu diesem Tribunal, dessen Vorbild das Russell-Tribunal in den 70er Jahren ist, kommt aus zwei Richtungen: Im Sommer dieses Jahres hat die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) aus Ostberlin die Initiative für ein Europäisches Tribunal ergriffen und bereiste zu diesem Zweck Ende Juli die Republik Jugoslawien, um Informationen aus erster Hand zu sammeln. Sie konnte Kontakte zu ähnlich gesinnten Initiativen aus Tschechien, Polen, Bulgarien, Russland, Italien und Griechenland knüpfen. In Jugoslawien traf sie auf Ramsey Clark und dessen US-amerikanisch-kanadische Initiative für ein Internationales Tribunal. Die beiden vereinbarten Zusammenarbeit. Das Internationale Tribunal soll nun voraussichtlich im Mai 2000 stattfinden. Es will seine Arbeit auf Vorbereitungskomitees in den verschiedenen Ländern stützen. Sie sollen bis zum Mai eine Anklageschrift erarbeiten. Es ist nicht daran gedacht, das Tribunal als Prozess durchzuführen, aber es soll mit einem Urteil beendet werden.
Zur Konstituierung eines europäischen Vorbereitungskomitees wird am 30.Oktober in Berlin ein Europäisches Hearing stattfinden, aus dem heraus ein Kuratorium und ein Arbeitskreis mit Organisationsaufgaben gebildet werden soll.
Ein Konzept oder eine Plattform für das Tribunal liegt bisher nicht vor. Aus der Tagesordnung des Hearings Ende Oktober ist jedoch zu entnehmen, wie sich zumindest der deutsche/europäische Teil der Initiatoren die Stoßrichtung des Tribunals vorstellt. 14 Arbeitsgruppen werden schwerpunktmäßig über folgende Themen beraten: Analyse der Politik der USA und die Neue Weltordnung; die Jugoslawienpolitik der BRD; Verletzung des Völkerrechts durch die NATO; die Lage im Kosovo vor Kriegsbeginn und Methoden friedlicher Konfliktbeilegung; Schlussfolgerungen für ein neues europäisches und weltweites Sicherheitssystem und die Rolle der OSZE. Politisch knüpft man an die Initiative die Hoffnung, die Pro-NATO-Stimmung in der Bevölkerung kippen zu können.
Die US-amerikanische Seite, so ist von den deutschen Initiatoren zu hören, wünscht eine etwas andere Zielsetzung, die stärker die "ideologische und moralische Seite" des Krieges betont.

Appell von Bourdieu und europäische Antikriegsbewegung

Im Mai dieses Jahres hatte ein Kreis französischer Intellektueller um den Soziologen Pierre Bourdieu einen europaweiten Aufruf gegen den Krieg gestartet, der von einer Vielzahl von Intellektuellen, Gewerkschaftern und Friedensaktivisten aus mehreren, vorwiegend westeuropäischen Ländern unterzeichnet worden war (siehe SoZ 9/99). Am 8.Mai gab es eine erste Konferenz in Paris, die zum sofortigen Stop der Bombardierungen und zur Einberufung einer Balkankonferenz aufrief. Die Stoßrichtung der Initiative lautete zusammengefasst so: Nein zur NATO reicht nicht. Es muss auch die Frage beantwortet werden, wer über regionale Konflikte entscheiden soll. Dies erfordert u.a. eine Auseinandersetzung mit der Rolle der UNO.
Dieser Konferenz folgte nun am 2./3.Oktober eine zweite, die schwerpunktmäßig folgende Themen diskutierte: die neue NATO-Strategie; welche EU wollen wir?; die Lage auf dem Balkan und das Selbstbestimmungsrecht; Alternativen zur NATO-Intervention. An der Konferenz nahmen etwa 60 Personen aus Frankreich, Belgien, Dänemark, der Schweiz, Italien und Spanien teil; Deutschland fehlte. Die vertretenen politischen Strömungen reichten von den KPs (allerdings haben sie eine unterschiedliche Haltung: die französische KP arbeitet in dem Forum mit, die spanische lehnt es massiv ab), linken Grünen bis zur revolutionären Linken und Unabhängigen.
Die Konferenz will zu zwei Schwerpunkten weiterarbeiten: sie will eine Balkankonferenz von unten organisieren, und sie will eine Debatte über den "neuen Interventionismus" anregen. Auf der Konferenz wurde auch ein Projekt von Ken Coates für eine europaweite Initiative vorgestellt und eine Zusammenarbeit beschlossen. Weiterhin sollen die Arbeiten in eine Initiative für das Europäische Parlament münden.
Angela Klein

Das Europäische Hearing zum Internationalen Tribunal findet am 30.Oktober in Berlin in der Kirche zum Heiligen Kreuz statt (Zossener Str.65, Ecke Blücherstr., U-Bhf. Hallesches Tor). Zeit: 10-19 Uhr. Anmeldung unter: (0361) 5961420.

E-Mail-Kontakt zur Initiative um Bourdieu ist: <pgilardi@freesurf.ch>.


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