Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.22 vom 28.10.1999, Seite 2

Rüstungsexporte

Nicht nur "Muster"-Panzer

von TOBIAS PFLÜGER

Am 20.10.1999 beschloss der Bundessicherheitsrat, dass das türkische Militär einen sogenannten "Musterpanzer" des Typs Leopard 2 A5 von Deutschland erhält. Damit bleibt die deutsche Firma Krauss Maffei Wegmann im Wettbewerb um den lukrativen Großauftrag im Wert von 6 Milliarden Mark, um den sich auch Firmen aus den USA, Frankreich, Italien und Russland reißen. Der Vorgang erinnert fatal an die Politik der alten Bundesregierung, die mittels Salamitaktik Stück für Stück die Außenpolitik militarisiert hat.
Der Leopard ist ein Panzer auf dem neusten Stand und insbesondere für Einsätze im Rahmen der Krisenreaktionskräfte "kampfwertgesteigert" worden. Nach Angaben der grünen Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter ist die Türkei deshalb an dem Kampfpanzer interessiert, "um seine durch das Warmsichtgerät hervorragende Eignung in den Bergen gegen die Kurden" zu testen. In der Türkei wird nach wie vor gefoltert, und es werden systematisch Menschenrechte verletzt. Töten auf Probe, ist das die neue Linie der rot-grünen Bundesregierung beim Kriegswaffenexport?
Als wenn das noch nicht genug wäre, war der Bundessicherheitsrat am 20.10.1999 nicht einmal vollständig. Der Finanzminister, der Innenminister und die Justizministerin haben bei dieser wichtigen Sitzung gefehlt und sich seither nicht inhaltlich zum Kriegswaffenexport geäußert. Zustimmen durch Schweigen. Zugleich lässt der Innenminister nach wie vor in die Türkei abschieben, zum Teil direkt in folternde Polizeihände.
Über den Weg Frankreich wurde zeitgleich ein Probemuster des Kampfhubschraubers Tiger an die Türkei geliefert. Der Tiger ist besonders gut geeignet für Flächenbombardements aus dem Niedrigflug. Als nächstes steht die Entscheidung für eine Lizenzproduktion der Firma Heckler & Koch über eine halbe Million Gewehre des NATO-Kalibers 5,56 Millimeter an. Alles Waffen, die "ideal" geeignet sind zur Bekämpfung der kurdischen Zivilbevölkerung und der PKK.
Die heuchlerische Doppelmoral der Bundesregierung beim Thema Menschenrechte wird am Beispiel Türkei besonders deutlich. Dem NATO-Südflankenstaat Türkei werden Menschenrechtsverletzungen verziehen, einen anderen Staat (Jugoslawien) hat die NATO mit Begründungen, die auf die Türkei ebenfalls passen würden, große Teile der Wirtschaftsinfrastruktur zerstört - übrigens unter Beteiligung der türkischen Luftwaffe. Die angeblichen "Luftschläge für Menschenrechte" gegen Jugoslawien haben sich als Krieg gegen die Zivilbevölkerung, gegen die Infrastruktur in Jugoslawien und zur Etablierung der "Neuen NATO" erwiesen. Diese neue Interventions-NATO braucht die Türkei als Südflankenstaat. Deshalb ist der Verzicht auf den Musterpanzer dringend notwendig, aber nicht ausreichend. Ziel oppositioneller Kritik muss es sein, die NATO und ihre Politik zu thematisieren und anzugreifen.

Tobias Pflüger ist Politikwissenschaftler und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. in Tübingen


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