Sozialistische Zeitung |
Die ArbeiterInnen des Alcatel-Werks Berlin Neukölln haben am Sonntag, dem 17.Oktober 1999, ihre
Werkbesetzung beendet. Mit großer Mehrheit nahm die Belegschaft ein Angebot der Konzernleitung an. Damit wird die Produktion am
31.Dezember 1999 eingestellt. Außerdem soll eine Beschäftigungsgesellschaft gegründet werden, um den Arbeitsplatzabbau
sozial verträglicher zu gestalten.
Der Alcatel-Konzern verlegt ab Januar seine Kabelproduktion nach
Frankreich. In Berlin fallen dadurch 140 Arbeitsplätze weg. 36 Arbeitsplätze im Vertrieb für Deutschland und Osteuropa
bleiben in Berlin erhalten. Der Konzern stellt insgesamt 18 Millionen Mark zur Verfügung: 6,8 Millionen werden von einer
Beschäftigungsgesellschaft verwaltet. Hier sollen die ArbeiterInnen weiterqualifiziert werden. Zwei Jahre lang erhalten sie
Kurzarbeitergeld und einen Ausgleich von Alcatel - alles in allem 80% ihres bisherigen Einkommens. 2,2 Millionen Mark stehen für
Härtefälle zur Verfügung. Darüber bestimmt der Betriebsrat. Weitere 9 Millionen Mark werden als Abfindungen
ausgezahlt.
"Unser Hauptziel, die Erhaltung der Arbeitsplätze, haben wir
nicht erreicht", so Arno Hager, erster Bevollmächtigter der IG Metall gegenüber der Welt. "Aber wir haben uns auf
eine Beschäftigungsgesellschaft geeinigt - immerhin ein Teilerfolg."
Die Zustimmung der Belegschaft fand unter massivem Druck der
Konzernleitung statt. Die Konzernleitung hatte der Belegschaft ein Ultimatum bis Sonntagabend gestellt, das Angebot anzunehmen. Löhne
und Gehälter aus der Zeit vor der Werksbesetzung wurden nicht gezahlt. Außerdem hatte Alcatel die Zahlungen an die
Sozialversicherung eingestellt.
Die Besetzer hatten bei ihren Protesten zahlreiche
Solidaritätsbekundungen aus dem In- und Ausland erhalten, darunter auch von Alcatel-Beschäftigten aus Frankreich. Auch Politiker
verschiedener Parteien besuchten das Werk und seine BesetzerInnen - in Berlin war zur gleichen Zeit Wahlkampf. Gregor Gysi (PDS), Franz
Müntefering, Walter Momper (SPD) und Eberhard Diepgen (CDU) kritisierten die Schließung des Werks, das seit zwei Jahren
schwarze Zahlen schreibt. Der Berliner Senat hatte Alcatel nach Angaben von Bürgermeister Diepgen Hilfe bei der Senkung der
Fixkosten und bei der Suche nach einem größeren Betriebsgrundstück angeboten. Doch das Unternehmen habe nicht reagiert,
so Diepgen. Alcatel hatte die Werksschließung mit dem ruinösen Preiskampf in der Kabelindustrie begründet. Noch zwei
weitere Werke in Deutschland sollen stillgelegt werden, insgesamt 850 Arbeitsplätze sollen wegfallen.
Die Strategie der IG Metall stieß auch auf Kritik: Zwar habe die IG
Metall diese erste unbefristete Werksbesetzung mitorganisiert und unterstützt. Allerdings sei der "Kompromiss" genau in dem
Moment angenommen worden, als Solidaritätsstreiks in anderen Alcatel-Betrieben vor der Tür standen, so die Kritiker. Der Kampf
sei abgebrochen worden, als die Gefahr bestand, dass das "enge Korsett der ‚Sozialpartnerschaft und ‚politischen
Stabilität" gesprengt werde.
Dirk Eckert
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