Sozialistische Zeitung |
Australien ist das einzige Land, das die Annexion von Osttimor durch Indonesien anerkannt hat. Jahrzehntelang
unterhielt Australien beste Beziehungen zu Indonesien und seinem Machthaber Suharto. Jetzt stellte sich das Land an die Spitze einer UN-
Truppe, die die Bevölkerung vor den Truppen und paramilitärischen Verbänden schützen soll, die nach dem
Unabhängigkeitsreferendum die Bevölkerung terrorisierten.
Die Unterstützung der indonesischen Politik hat in Australien
Geschichte. Als Suharto nach seinem Staatsstreich 1965 hunderttausende seiner Gegner ermordete, kommentierte der damalige Premierminister
Harold Holt bei einem Besuch in New York abfällig, die Opfer seien "nur Kommunisten" gewesen. In den folgenden Jahren
dachte Australien vor allem an die eigenen Interessen, d.h. an seine guten Beziehungen zu Indonesien, an Stabilität und
Geschäftsbeziehungen.
Arm und Reich
Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht das momentane Verhältnis
zwischen Australien und Indonesien: Betrug das Bruttosozialprodukt Australiens im Jahr 1997 382.705 Millionen Dollar, so lag das von
Indonesien nur bei 221.533 Millionen Dollar. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl stehen Australiern theoretisch 20.650 Dollar pro Kopf zu
Verfügung, fast 20mal mehr als Indonesiern mit nur 1110 Dollar.
Indonesien bezog 1998 6,6% seiner Importe aus Australien. Umgekehrt
liegt der Anteil Indonesiens an den australischen Importen nur bei 3%. Die wichtigen Handelspartner Australiens sind die USA, Japan,
Südkorea, Großbritannien und China, sowohl was den Import als auch was den Export betrifft.
Gleichwohl sind australische Unternehmen in Indonesien aktiv. 1,1
Milliarden Dollar investierten sie letztes Jahr in Indonesien, vor allem in den Bereichen Bergbau, Nahrungsmittel, Tourismus und Banken. Die
im Australian Indonesia Business Council versammelten australischen Investoren profitierten von der Asienkrise: Die Produktionskosten in
Indonesien sind seitdem drastisch gefallen. Unter dem Druck des IWF musste Indonesien die Hürden für ausländische
Investoren senken und Staatseigentum privatisieren. Australien ist auch in Osttimor aktiv. Vor den Küsten Timors beutet die australische
BHP Petroleum seit 1997 die Elang-Kakatua-Ölfelder aus. Die Hoheit über die Gewässer teilen sich Australien und
Indonesien.
Militärische Zusammenarbeit
Die indonesische Armee konnte sich immer guter Zusammenarbeit mit
Australien erfreuen. Sie erhielt 1994/95 Flugzeuge, Kommunikationsgeräte, Waffen und Munition im Wert von 2,5 Millionen Dollar aus
Australien. 1995/96 betrugen die Waffenexporte schon 10 Millionen Dollar. 1997 erhielt die indonesische Regierung von Australien einen
Kredit im Wert von 8 Millionen Dollar. Mit dem Geld sollte Indonesien in die Lage versetzt werden, Waffen bei Australiens
größtem Waffenhersteller, Australian Defence Industries, einkaufen.
Die finanzielle Unterstützung Australiens für die indonesische
Armee ist inzwischen auf 6,446 Millionen Dollar angewachsen, wie die australische Regierung erklärte. "Die australischen
SteuerzahlerInnen finanzieren Indonesiens Gewalt in Osttimor", kommentierte der Journalist John Pilger im Juli 1999, als er die
Verflechtungen Australiens mit dem indonesischen Militär untersuchte.
Pilger berichtet vom Fall eines indonesischen Offiziers, der 1995 in die
australische Hauptstadt Canberra als Gast des Verteidigungsministeriums eingeladen wurde. Keine fünf Monate vorher habe ein US-
Gericht der Neuseeländerin Helen Todd 14 Millionen Dollar Schadensersatz zugesprochen, wegen der Ermordung ihres Sohnes bei
einem Massaker in Indonesien. Verantwortlich für das Massaker sei eben dieser Offizier gewesen.
Ebenfalls 1995 schlossen die beiden Länder ein
Sicherheitsabkommen, das gegenseitige Hilfe für den Fall eines militärischen Angriffs auf eines der beiden Länder vorsieht.
Außerdem sollte auf dem Gebiet des "Counter-Terrorismus" zusammengearbeitet und Waffen an Indonesien geliefert werden.
Auch die berüchtigten indonesischen Kopassus-Einheiten wurden von Australien ausgebildet.
Noch 1997 fand die australische Regierung in ihrer Positionsbestimmung
Australias Strategic Policy, einem vom Verteidigungsministerium herausgegeben Strategiepapier, lobende Worte für das
indonesische Regime. Nach den "Turbulenzen der späten Sukarno-Ära" habe Suharto viel für die
Förderung des Geistes der Zusammenarbeit in den internationalen Beziehungen getan.
Das Papier beschreibt die besondere Bedeutung von Indonesien für
Australien und die australische Außen- und Sicherheitspolitik. Nicht nur die geografische Nähe zu Indonesien sei für die
australische Sicherheitspolitik wichtig: Die Kombination aus Bevölkerungsgröße, territorialer Ausdehnung und politischer
Macht mache Indonesien zum einflussreichsten Land in Südostasien. In zwanzig Jahren könne Indonesiens Volkswirtschaft zur
größten in der Region werden. Im gleichen Zeitraum dürfte, so das Verteidigungsministerium, das Bruttosozialprodukt
Indonesiens das von Australien übersteigen - genauso wie die Verteidigungsausgaben.
Das Strategiepapier des Verteidigungsministeriums geht weiter davon aus,
dass Indonesien die gleichen strategischen Interessen wie Australien hat. Das 1995 geschlossene Sicherheitsabkommen (Agreement on
Maintaining Security) zwischen Indonesien und Australien wird dabei als wichtig für Australiens Sicherheit bezeichnet. Das Abkommen
ist mittlerweile Geschichte. Indonesien hat es am 16.September aus Verärgerung über die australischen Bemühungen, eine
UN-Truppe nach Osttimor zu schicken, gekündigt.
Australien reagierte prompt: "Indonesien ist für Stabilität
und Wohlstand in unserer Region lebenswichtig", stellte der australische Außenminister Alexander Downer am 21.September 1999
fest und erklärte gleichzeitig, dass die Militärintervention nicht den eigenen, langfristigen Interessen widerspreche. Ein Grund
für die Militärintervention sei gewesen, dass "wir das Osttimor-Thema ein für alle mal gelöst sehen wollten und
es kein Hindernis mehr für Indonesiens Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen
Finanzwelt, sein sollte".
Modernisierung der Armee
Möglich geworden war die australische Militärintervention
nicht zuletzt durch ein Programm der Regierung zur Modernisierung der Streitkräfte, das im Juli 1997 gestartet wurde. Ziel des
Programms war es, die Streitkräfte mit Waffensystemen auszustatten, die größere Reichweite, Mobilität und
Präzision ermöglichen. Das Militär soll in der Lage sein, "Tag und Nacht" und "unter allen
Bedingungen" zu operieren.
Das Programm griff. Im März dieses Jahres konnte
Verteidigungsminister John Moore vor dem Parlament berichten, dass Australien zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten wieder über eine
Einsatzbereitschaft von Truppen in der Stärke von zwei Brigaden verfüge. "Die Verantwortung unserer Regierung und unsere
Absicht besteht darin, dass wir auf eine ganze Reihe verschiedener Möglichkeiten in jedem Falle schlagkräftig reagieren
können."
Nach der Konzeption des Verteidigungsministeriums in Australias
Strategic Policy soll das australische Militär, neben der Abwehr eines Angriffs, in der Lage sein, Australiens "regionale Interessen
zu verteidigen". Insbesondere regionale Konflikte mit Folgen für Australiens Sicherheit seien in Zukunft um einiges
wahrscheinlicher als direkte Angriffe auf Australien.
Dieses Jahr bekam die Regierung unerwartete Unterstützung.
Gewerkschaften, Kirchen, überhaupt große Teile der Linken, die bisher dem Militär kritisch gegenüber standen,
forderten von der Regierung eine militärische Intervention in Osttimor. "Viele derjenigen, die das politische Klima erzeugt hatten,
in dem die Armee heruntergekommen ist, rufen nun am lautesten nach einer Intervention Australiens", kommentierte die Australian
Financial Review. "Dieser Ruf zu den Waffen hat zum ersten Mal seit Jahrzehnten dem Standpunkt breite Akzeptanz verliehen, dass
Australien zu breiten Militärinterventionen außerhalb seines eigenen Territoriums in der Lage sein sollte. Damit ergibt sich die
Möglichkeit eines innenpolitischen Konsens nicht nur zugunsten höherer Militärausgaben, sondern auch für eine
veränderte Struktur der Verteidigungskräfte", so die Zeitung.
Der Journalist John Pilger sprach sich im Juli dieses Jahres gegen
australische Truppen in Osttimor aus, weil das australische Militär mit dem indonesischen verknüpft sei. Die australische
Regierung solle vielmehr der indonesischen Regierung deutlich machen, dass das indonesische Militär Osttimor verlassen muss.
Dirk Eckert
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