Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.23 vom 11.11.1999, Seite 14

Expo 2000

Kampagne des BUKO

Am Samstag, den 30.Oktober 1999 um die Mittagszeit, ereigneten sich in der Innenstadt Hannovers seltsame Dinge: Ein Demonstrationszug mit etwa 200 dem Aussehen nach linken DemonstrantInnen zog durch die Straßen, skandierte Sprüche wie "Hoch die internationale Weltausstellung" und führte Transparente mit sich, auf denen zu lesen stand: "Nie wieder nein" oder "Schmalstieg OB bis 2087". Diese satirische "Pro"-Expo2000-Demo war der öffentliche Teil des 22.Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO), der vom 28. bis 31.Oktober 1999 in Hannover stattfand. Der Ort der Tagung war im Hinblick auf die Weltausstellung 2000 in der gleichen Stadt gewählt worden. Am Kongress nahmen etwa 300 Personen teil.
Während die Kongresse des BUKO in den Jahren 1994 bis 1997 eher von Stagnation geprägt waren, machte sich auf diesem Kongress verhaltene Aufbruchstimmung breit: Es gab mit der Vorbereitung einer Kampagne gegen die Expo 2000 ein praktisches Thema. Es waren mehr junge Leute anwesend als auf den letzten Kongressen und die Atmosphäre war weniger von Fraktionskämpfen geprägt. Das gab älteren BUKO-AktivistInnen Grund zu verhaltenem Optimismus.
Der Kongress war in vier Foren unterteilt: Forum 1 (Weltwirtschaft und Globalisierung) hatte Arbeitsgruppen zu EU und WTO, Verschuldung, NATO und Militarisierung sowie zur "NGO-isierung der Soligruppen"; Forum 2 (soziale Frage - soziale Kämpfe) mit den AGs Gesundheit, "schöne neue Arbeitswelt", Jugend und Bildung; Forum 3 (Kontrolltechniken der Zukunft - Nachhaltige Herrschaftssicherung) hatte den stärksten Bezug zur Expo: hier gab es die AGs "Mensch - Natur - Herrschaft" - zur ideologischen Funktion der Expo; Expo und Biopolitik; Umweltschutz von oben - Umweltschutz von unten; soziale Frage und innere Sicherheit; "Frauen und Expo - feministische Modernisierung oder Widerstand?". Im Forum 4 ging es schließlich um Dialog-Kultur mit Initiativen zum alltäglichem Rassismus, Kooperation von KünstlerInnen aus verschiedenen Kontinenten, Dialog durch Radio, Internet u. JournalistInnennetzwerke sowie zum Basisnetzwerk Afrika - Europa - USA.
Am besten war das Forum 1 besucht. Es zeigte sich aber, dass das Thema EU-Kritik in der Internationalismus-Szene bisher nur sehr schlecht verankert ist. Abgesehen davon zeichneten sich die Input-Referate durch ein hohes theoretisches Niveau aus. So erhielt der Kongress den Charakter einer Mischung aus Bildungsveranstaltung und chaotischer Diskussion. Während man in den Foren und Arbeitsgruppen noch von kreativem Chaos reden konnte, war das Chaos auf dem Abschlussplenum eher destruktiv. Aber auch hier hatten alte BUKO-Fahrensleute schon schlimmeres erlebt. Es ist also Besserung in Sicht.
Die grundsätzliche Kritik an der Expo 2000 machte sich daran fest, dass sie in erster Linie eine Propagandaveranstaltung für den "neoliberalen" Kapitalismus ist. So heisst es im Entwurf für eine Abschlussresolution des Kongresses: "Neue Wege suchen im Expo-Sinn bedeutet Atomkraft, Gentechnologie, freien Handel und Investitionen. Ungerechtigkeit, Unterschiede zwischen Armen und Reichen, Mächtigen und Unterdrückten sollen nicht verschwinden, sie sollen einfach nicht mehr benannt, übertüncht, vertuscht werden."
Kritisiert wird die kritiklose Verherrlichung von Technologien, durch die suggeriert werden soll, dass alle gesellschaftlichen Probleme im Rahmen des kapitalistischen Systems "nachhaltig" gelöst werden können. "Die Beziehung zwischen Technik und Arbeit und mit ihr die Ausbeutungsstrukturen verschwinden völlig. Technik wird allein zum Konsumgut und zur Projektionsfläche gesellschaftlicher Utopien und Bedürfnisse."
Der Sinn einer linken Anti-Expo-Kampagne liegt also darin, dieser Zurschaustellung systemimmanenter "Lösungen" für gesellschaftliche Probleme eine emanzipatorische Alternative jenseits des Kapitalismus entgegenzusetzen. Da die Weltausstellung alle Bereiche abdeckt, kann dies von Linken zum Anlass genommen werden, wieder eine gesamtgesellschaftliche Perspektive anhand einer praktischen Kampagne zu entwickeln. Das bietet Linken die Möglichkeit, dem Elend der Ein-Punkt-Mobilisierungen (Antifa, Antirassismus, Anticastor, Erwerbslosenbewegung etc.) zu entfliehen und wieder in alle gesellschaftlichen Auseinandersetzungen eingreifen zu können. Die Tatsache, dass das bei der Anti-Gipfel-Kampagne in Köln 1999 nicht gelungen ist, ist kein Grund, es nicht noch einmal zu versuchen.
Alles in allem war der BUKO 22 trotz aller Schwächen ein inhaltlich anregendes Ereignis, das Lust auf mehr macht.
Andreas Bodden/Ralf Berger
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