Sozialistische Zeitung |
Es wareine merkwürdige Versammlung, die da am vergangenen Montag in Köln stattfand. Laut
Einladung sollte eine Deutsche Arbeitslosen-Gewerkschaft (DALoG) gegründet werden, mit Satzung, Vorstand, Niederlassungen in
anderen Bundesländern und Bekanntgabe eines Kongresses in Leipzig, Kabarettisten, u.a. Wilfried Schmickler von den WDR-
Mitternachtsspitzen, würden für Unterhaltung sorgen. Es kam alles sehr bedeutend und so gar nicht von den üblichen
Geldsorgen von Erwerbsloseninitiativen geplagt daher; auch die professionelle Medienarbeit im Vorfeld nährte bei Nichteingeweihten
die Erwartung, bei der Erwerbslosigkeit gäbe es endlich wieder neue Impulse. Aber der Berg gebar nur eine Maus und eine scheckige
dazu.
Schon die Zahl der Teilnehmenden war mit ca. 80 für die Initiatoren
enttäuschend, sie hatten mindestens mit dem Doppelten gerechnet. Dabei hatten sie - mit Hilfe des Adressenverteilers der
Koordinierungsstelle der gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppen in Bielefeld - alle Erwerbsloseninitiativen, Gewerkschaften, Parteien und
auch Prominente angeschrieben, derer sie habhaft werden konnten. Kein billiger Spaß für eine Arbeitsloseninitiative, die sich erst
im vergangenen Jahr im Verlauf der monatlichen Protesttage der Erwerbslosen gegründet und sich bis heute keinem Bundesverband von
Erwerbslosen angeschlossen hat.
Die Arbeitslosen-Offensive Geldern e.V. machte im November 1998 das
erste Mal von sich reden durch die Herausgabe einer CD "Wir sind die Millionen". Die beiden erwerbslosen Journalistinnen, die
sich die Vorsitzenden des Vereins nennen, brachten sie nach den Protesttagen heraus in der Hoffnung, damit auch einen wirtschaftlichen Erfolg
zu landen. Es wurde jedoch ein Flop, vielleicht auch deshalb, weil Erwerbslose sich nur ungern ihr eigenes Leid vorsingen lassen.
Unter den organisierten Erwerbslosen hatte die Einladung nach Köln
einige Unruhe hervorgerufen: Schon die Bezeichnung Gewerkschaft war aufgestoßen.Mit Gewerkschaft verbindet mensch normalerweise
Streikfähigkeit und Tariffähigkeit, also eine gesellschaftliche (Gegen-)Macht, die Erwerbslose jedoch nicht haben. Sich diese
Bezeichnung zuzulegen, empfanden viele in Köln als Anmaßung und Vorspiegelung falscher Tatsachen. Zumal die DALoG in einem
"streng vertraulich" zugesandten Vorbereitungspapier ihre Position so umschrieb: "Wir sind eine unabhängige
Gewerkschaft, die sich ganz klar von allen bestehenden Gewerkschaften abgrenzt."
Dort wurde auch gegen die "hochdotierten Arbeitnehmer"
polemisiert, die in den etablierten Gewerkschaften sitzen und es "gewohnt sind, Arbeitnehmer zu vertreten". Die
Erwebslosenbewegung empfanden dies als eine gewerkschaftsfeindliche Sprache, eine Herabsetzung auch der Gewerkschaften, die sich gerade
in den Protesttagen an der Seite der Erwerbslosen engagiert haben, und als Spaltpilz gegenüber abhängig Beschäftigten. Es
wundert also nicht, dass die DGB-Gewerkschaften sich zur Initiative nicht geäußert haben - obwohl es besser gewesen wäre,
sie hätten sich mit der Initiative offen kritisch auseinandergesetzt; nur die DAG und die Deutsche Hausfrauengewerkschaft reagierten
positiv.
Die bestehenden Arbeitslosenverbände reagierten allesamt reserviert
bis ablehnend. Der neue Präsident des ALV, Matthias Dittmann, hatte allerdings ein Schreiben gefaxt, sein Verband begrüße
die Gründung; auf Nachfrage war jedoch zu erfahren, dies sei im Bundesvorstand nicht abgesprochen gewesen, die
Landesverbände Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg hätten sich dagegen geäußert und wollten eine
Stellungnahme des Bundesvorstands erwirken.
Von den Regierungsparteien war niemand gekommen; die CDU war nicht
offiziell, nur "privat" durch einen Unternehmensberater vertreten, einen gewissen Friedhelm Kölsch, der in Schlips und
Kragen gegen die Regierung wetterte: "Denen gehen die Probleme der Arbeitslosen doch am Allerwertesten vorbei." Wortgewandt
machte er sich zum Sprecher der Arbeitslosen, die "ihre Wut ins Land schreien", als hätte die Regierung Kohl nicht 16 Jahre
lang dafür gesorgt, dass jährlich eine halbe Million Erwerbslose dazukommen. Geschäftstüchtig pries er
Existenzgründungen als Mittel gegen Erwerbslosigkeit und der DALoG seine Marketingerfahrungen an, er vertrieb eine CDU-
Broschüre zur Arbeit der Zukunft, die mit ausländerfeindlichen Passagen durchsetzt war, zum stolzen Preis von 25 Mark!
Ganz offiziell vertrat Herr Engel seine Partei, er kam vom Landesvorstand
der FDP-NRW. Er wollte "keine Gelegenheit auslassen zu erklären, warum in Deutschland zu wenig Arbeitsplätze
entstehen", und pries das niederländische Poldermodell als Heilmittel. An die Initiatorinnen gewandt, rief er: "Sie setzen mit
dieser Initiative ein Zeichen, dass wir noch lange nicht so weit sind, wo wir hinkommen wollen."
Ob die Initiatorinnen der DALoG zu einer Gesellschaft "halbe Arbeit
- halber Lohn" kommen wollen, ist nicht ausgemacht, aber auch nicht von der Hand zu weisen: die erste von ihnen vorgeschlagene
Kampagne heißt "Fürn Groschen Arbeit". Auf einer medienwirksamen "Groschen-Sammel-Tour"
durch Deutschland wollen sie 2 Millionen Mark sammeln. Das Geld fließt nicht in Arbeitslosenprojekte, sondern an die Stiftung
"Wir sind die Millionen".
Wer hinter der Stiftung steckt und wer sie gegründet hat, weiß
niemand, aber verwalten soll sie ein Treuhänder. Überhaupt war auffällig, dass alle Fragen, die mit Geld, Vereinsmeierei
und Medienumgang zu tun hatten, sehr professionell und ohne Scheu vor Kosten angegangen wurden. Die Hälfte des Geldes wird
angelegt, die andere Hälfte geht an (selbstverständlich kleine) Betriebe, die daraus ein Jahr lang einen Arbeitsplatz finanzieren
sollen. Bescheidenheit ist die Sache der Initiatorinnen nicht: "Die Stiftung soll so bekannt werden wie Karl-Heinz Böhms
,Menschen für Menschen."
Ergänzend zur Groschenkampagne will die Initiative Patenschaften
für Arbeitslose finden: wohlhabende Bürger sollen ein Jahr lang die Zahlung des Gehalts für einen Arbeitslosen
übernehmen. Oder besser: ihm das Startkapital für ein eigenes kleines Unternehmen zur Verfügung stellen.
Bedauerlich war der Auftritt der PDS. Dessen frisch gekürtes
Kölner Stadtratsmitglied sah in der Einladung wohl vorrangig eine Möglichkeit, für die Positionen der PDS zu werben, statt
sich mit dem Projekt auseinanderzusetzen. Es kam auch kein Wort der Kritik aus seinem Mund; nach der Rede, in der er noch die
Grüße der Bundestagsfraktion übermittelte, rauschte er wieder ab. Die Erwerbslosen mussten ihren Weg alleine finden.
Deren große Mehrzahl in Köln wollte mit Sicherheit nicht
dahin kommen, wohin Herr Engel will. Während er sprach, gab es Tumulte; die Erwerblosen wandten sich aber auch deutlich gegen die
vorgestellte Kampagne; sie sahen in ihr den Versuch sahen, die Erwerbslosen in Bittstellerposition zu halten: "Wir wollen nicht die
Mitleidsschiene fahren, wir fordern Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum!", rief ein Vertreter der Arbeitsloseninitiative Wuppertal
und erinnerte daran, dass Erwerbslose drei Pfunde auf ihrer Seite haben: die Wählerstimme, die Konsumentenkraft und den sozialen
Ungehorsam.
Aus der Gründung an dem Montag wurde nichts; man hat sich auf den
30.April nach Leipzig vertagt. Allerdings ist die dort gastgebende ALI Leipzig noch weitgehend unbekannt.
Die Sache wäre nicht weiter erwähnenswert, wäre da
nicht der offenkundige - und nicht unbegründete - Versuch neoliberaler Kräfte, die Erwerbslosenbewegung zu instrumentalisieren.
Doch auch eine schlechte Initiative kann auf Mängel im eigenen Haus aufmerksam machen: Die Mehrzahl der in Köln anwesenden
Erwerbslosen ist erst im vergangenen Jahr zur Erwerbslosenbewegung gestoßen. Sie kennen die bestehenden Strukturen nicht, finden sich
in dem Nebeneinander von verschiedenen Erwerbslosenverbänden nicht zurecht und finden die Idee gut, einen Dachverband zu
gründen, unter dem alle Erwerbslosenverbände versammelt sind.
Die Auseinandersetzungen der 80er und der 90er Jahre, die zu der
zersplitterten Situation geführt haben, sind an ihnen vorbeigegangen. Auch dass einzelne, eher unpolitische Initiativen, darauf orientieren,
hauptsächlich durch Medienrummel für ihre Sache zu werben, und den Aspekt der Selbstorganisation von Erwerbslosen nicht im
Blick haben, war bei den letzten Protesttagen vermehrt zu beobachten. Höchste Zeit, dass die bestehende Erwerbslosenbewegung ihre
Strukturen wie auch ihre Aktionsformen überdenkt.
Angela Klein
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