Sozialistische Zeitung |
Die europäische Koordination der Euromärsche Mitte November fand in einer schwierigen
Situation statt: Einerseits war eine Bilanz der Mobilisierungen nach Köln zu ziehen. Andererseits zeigte diese Bilanz, dass die
Märsche an einem Wendepunkt angekommen sind, inhaltlich wie der Aktionsform nach.
Die ungewöhnlich zahlreich und repräsentativ
zusammengesetzte deutsche Delegation trug eine Bilanz vor, die auf breite Zustimmung stieß. Es wurde darin die Schwäche der
Beteiligung der Erwerbslosen wie auch der Gewerkschaften beklagt, andererseits auf die wachsende Breite des Bündnisses und die
Bedeutung der Euromärsche für die europaweite Organisierung verschiedener sozialer Milieus und Initiativen verwiesen.
Einheitlich zog man die Schlußfolgerung, dass die personellen und organisatorischen Mängel, die auf den Märschen auftraten,
den Schluss nahelegen, solche erst dann zu wiederholen, wenn die nötigen Ressourcen bereitgestellt werden können. Die
Mängel in der Durchführung der Demonstration wiederum machten eine Internationalisierung des Euromarschsekretariats sowie
seiner Aktionsplanungen dringend nötig.
Die Koordination hat deshalb vorgeschlagen, im nächsten Jahr in
beiden Punkten Veränderungen einzuleiten. Bisher hat eine jährliche europäische Koordination der Märsche das
Pariser Sekretariat mit europäischen Sekretariatsaufgaben beauftragt. Nun soll das kommende Jahr dazu genutzt werden, ein
europäisches Koordinationsbüro aufzubauen, in das die verschiedenen Länder einen stabilen und repräsentativen Kern
von Vertretern entsenden, die auf regelmäßiger Basis zusammenarbeiten. Die Zahl der Koordinationen soll auf zwei pro Jahr
erhöht werden; sie treffen alle wesentlichen Entscheidungen. Das Büro erhält eine Mandat für ein Jahr. Die
Euromärsche bekommen eine Homepage und eine zweite Mailingliste für die Arbeit der Koordination. Zur Installation der neuen
Struktur ist eine Übergangszeit von einem Jahr ins Auge gefasst.
Um die Strukturen und Ansprechpartner der Märsche auf
Länder auszuweiten, wo es solche noch nicht gibt, soll eine Kontaktgruppe Süd und eine Kontaktgruppe Ost eingerichtet werden.
Die erste Sitzung des neuen Büros soll Anfang Februar staatfinden.
Dort soll Bilanz gezogen werden vom europäischen Aktionstag am 10.Dezember und die geplanten Aktivitäten für das Jahr
2000 vorbereitet werden. Das wären:
- Im März 2000 findet in Lissabon ein Sondergipfel zur Sozialpolitik
statt, der das Ziel verfolgt, die Sozialsysteme "beschäftigungsfähig" zu gestalten. Zu diesem Anlass wollen wir erneut
einen europäischen Aktionstag durchführen. Weil es in Portugal keine Strukturen der Euromärsche (weil keine
Erwerbslosenbewegung) gibt, wollen wir uns an die dortige CGTP wenden, ob sie sich in der Lage und bereit sieht, Aktionen anlässlich
des Gipfels durchzuführen. Gedacht ist an einen Gegengipfel.
- Im September/Oktober des Jahres 2000 wird in Frankreich eine
große europäische Versammlung der Erwerbslosen, ungeschützt Beschäftigten und Ausgegrenzten durchgeführt.
Ihr Ziel ist, ein Maximum an örtlichen Initiativen zu Wort kommen zu lassen und die horizontale Vernetzung zu befördern. Um dies
zu erreichen, war man sich einig, daß erhebliche Anstrengungen unternommen werden müssen, um weitere soziale Initiativen,
Gewerkschaftsgruppen sowie Migranten und Frauengruppen dafür zu interessieren und daran zu beteiligen.
Im Dezember 2000 soll in Frankreich eine Großdemonstration
stattfinden. Die französischen Gewerkschaften haben ihre Teilnahme bereits angekündigt; das erleichtert eine Teilnahme des EGB,
damit die gewerkschaftliche Mobilisierungen auch in anderen europäischen Ländern.
- Für das erste Halbjahr 2001 hat die schwedische Gewerkschaft
SAC Mobilisierungen zum EU-Gipfel in Göteborg angekündigt.
- Im zweiten Halbjahr 2001 findet der EU-Gipfel in Brüssel statt.
Betrachtet man das Arbeitspensum, das sich die EU für die
kommenden ein, zwei Jahre vorgenommen hat (siehe Seite 1), stellt man fest, dass die sozialen Bewegungen trotz ihrer vielfältigen
Aktionen noch arg hinterherhinken. So konnte die Koordination immer noch keine von allen getragene Formel für eine europäisches
Mindesteinkommen finden. Nun ist eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die die bereits von anderen Netzwerken erarbeiteten Positionen
durchforstet und die Forderungen der sozialen Bewegungen in den verschiedenen Ländern miteinander vergleicht.
Die europäische Versammlung im Herbst 2000 ist darüber
hinaus der geeignete Ort, eine Sozialcharta der sozialen Bewegung in Europa zu entwerfen und darum eine breite Mobilisierung zu entfachen.
Dies wäre ein Kontrapunkt zum offiziellen Grundrechtekatalog der EU, der im Dezember 2000 vorgestellt wird und in dessen Erarbeitung
sich zahlreiche NGOs, aber auch der EGB einbinden lassen.
Eine dritte inhaltliche Erweiterung ergibt sich durch die EU-
Osterweiterung und alle Probleme, die diese aufwirft. Allerdings können wir diese Probleme sinnvoll nur zusammen mit betroffenen
Gruppen aus Osteuropa angehen.
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