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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.25 vom 09.12.1999, Seite 1

Enteignung gefordert

Es gibt Momente, da bringen Arbeiter, die sonst mit Politik nichts zu tun haben, einen Konflikt besser auf den Punkt als alle Politiker - einschließlich derer, die sich besonders gern als Sachwalter der kleinen Leute aufspielen.
Der 23.November war so ein Tag. Hunderte Holzmänner fordeten vor der Deutschen Bank: "Deutsche Bank in Volkes Hand!" Dass die Banken eine finanzielle Rettungsaktion an vergleichsweise Peanuts zu nennenden Summen scheitern lassen wollten - dieselben Banken, die zugleich Hauptaktionäre und Aufsichtsräte des Konzerns und als solche mitverantwortlich für dessen Pleite sind -, brachte das Fass zum Überlaufen.
Die Zuspitzung auf die Banken trifft den Nagel auf den Kopf. Ohne die Deutsche Bank läuft bei Holzmann schon seit der Gründerzeit im vorigen Jahrhundert nichts mehr. Die Bank wusste von dem Mismanagement des alten Vorstands und spätestens seit Oktober auch von der jüngsten Milliardenlücke. Die Inszenierung der Holzmann-Pleite war auf Konkurs angelegt: ein Rettungsversuch der Stadt Frankfurt platzte an einer "Liquiditätslücke" von 149 Millionen DM.
Als die Stadt sich erbot, sie durch Geländekauf zu decken, wurde dies kurzerhand vom Tisch gewischt: "Wir konnten nicht einmal Fragen stellen, wir konnten nur da sitzen und zugucken, wie mit unserem Angebot umgegangen wurde", erklärte Bürgermeister Vandreike. Ein weiterer Rettungsversuch unter Hinzuziehung des hessischen Ministerpräsidenten und der Hessischen Landesbank wurde gleichfalls abgebügelt, diesmal fehlten 250 Millionen DM.
Warum wollten die Banken Holzmann nicht retten? Die Sprachregelung in der Presse lautet, es habe "bei den Kreditinstituten weithin an Vertrauen für das vom Holzmann-Vorstand vorgelegte Sanierungskonzept gefehlt". Offener äußert sich das Handelsblatt: Es lag auf der Hand, "dass sich kaum einer der an Holzmanns Schulden beteiligten Banken mit viel Enthusiasmus in die Rettungsaktion stürzen würde. Denn anders als seinerzeit bei der Metallgesellschaft ging es hier nicht um ein neu anzupackendes Sanierungsprojekt mit schwer einschätzbaren Chancen und dem leichten Prickeln des Glücksspiels. Vielmehr war der seit Jahren laufende Versuch, den Baukonzern zu reparieren, trotz starker Bankenhilfe gescheitert. Und die neue Runde der Hilfsmaßnahmen sollte wohl nur dazu dienen, diese Hängepartie zu verlängern."
Prickelnd wäre für die Banken gewesen, Holzmann wäre in Konkurs gegangen und nur ein einziger Baulöwe, der Essener Konkurrent Hochtief, wäre übriggeblieben und hätte sich aus der Konkursmasse die Rosinen herausgepickt. Nach ihren Maßstäben gibt es heute in Europa keinen Platz mehr für zwei Bauriesen - einer muss weichen.
Dass die Banken kalten Blicks den Gang zum Konkursrichter anpeilen, um eine Wettbewerbssituation zu bereinigen, ist neu - und die Provokation, die darin liegt, wurde von den Holzmännern, von den politischen Parteien und von einer verbreiteten solidarischen Stimmung in der Öffentlichkeit heftig zurückgewiesen. Das ist eine neue Qualität des Klassenkampfs von oben, die nicht zum Konzept der Einbindung der Gewerkschaften in langfristig angelegte Deregulierungsstrategien passt.
Umgekehrt aber passt die Reaktion der Regierung und der Parteien nicht zum neoliberalen Dogma. Das Flaggschiff des Neoliberalismus, die Londoner Financial Times, geißelte Schröders Eingreifen als Rückfall in altmodischen Interventionismus und als Versuch, "Parteipolitik mit Unternehmen zu betreiben". Das ist nicht nur eine englische Sichtweise. Auch der Deutsche Industrie- und Handelstag ließ sich vernehmen: "Die hohe Zahl von Arbeitsplätzen, die mit dem Schicksal eines einzigen großen Unternehmens verbunden sind, darf nicht zum entscheidenden Kriterium für Staatsinterventionismus werden."
Jetzt haben die Banken den Baukonzern nahezu vollständig übernommen. Wer wird sie nun daran hindern, das, was sie auf einen Streich nicht durchbekommen haben, fortan scheibchenweise durchzusetzen? Die Situation bleibt ja: Es ist kein Platz für zwei Bauriesen.
Die Angst der Holzmänner, an Weihnachten mit dem Entlassungsbrief dazustehen, ist verständlich, somit auch ihre Reaktion, alle Preisbrecherrekorde zu brechen und dem vorübergehenden Erhalt des Arbeitsplatzes Lohnniveau und Tarifgefüge zu opfern - ohne Rücksicht auf die Kollegen, die in anderen Bauunternehmen arbeiten. Von der Gewerkschaft, die die labile Situation im Baugewerbe kennt, konnte man eine Politik mit längerem Atem erwarten.
Denn was ist davon zu halten, wenn der Chef der IG BAU, Klaus Wiesehügel, das Verzichtsangebot der Kumpel (Streichung von 5000 Arbeitsplätzen, wenn die Beteiligungsgesellschaften mitberücksichtigt werden, Schließung von 23 der derzeit 37 Niederlassungen, Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 43 Stunden und Verzicht auf 6% Lohn) erst mitdurchsetzt und eine Woche später als Aushebelung des Tarifrechts und Tarifvertragsbruch geißelt? Unter dem Strich beläuft sich der Beitrag der Belegschaft zur "Sanierung" des Konzerns auf 16% Lohnverzicht und 245 Millionen Mark - zum Vergleich: die Bundesregierung trägt 250 Millionen bei, die Banken netto 200 Millionen!
Aber diese Sorte von Rettungsversuch setzt den Hebel an einer völlig falschen Stelle an: Holzmann ist nicht wegen besonderen Mismanagements pleite gegangen. Holzmann hat unter dem verschärften Konkurrenzdruck der 90er Jahre das getan, was zig andere Konzerne und Industrieunternehmen auch tun: Das Unternehmen arbeitete mit Dumpingpreisen, um an Aufträge zu kommen und vor allem kleinere Konkurrenten auszustechen, und es hat sich konkurriernde Baufirmen einverleibt, bis es sich überfressen hat. Dieses Verhalten wird durch den Wettbewerb diktiert und findet sich in der Bauindustrie nicht weniger als in der Computerindustrie, der Lebensmittelindustrie und vielen anderen.
Holzmann ist ein besonders klarer Spiegel dessen, wohin das Gesetz der kapitalistischen Konkurrenz steuert. Diese Krankheit lässt sich auf Dauer nicht einmal mit drastischem Lohnverzicht heilen. Die Arbeitsplätze bei Holzmann sind dadurch nicht sicherer geworden, aber die in anderen Baufirmen erheblich unsicherer. Schon hat die Bauindustrie einen drohenden Verlust von 25.000 Arbeitsplätzen angekündigt, weil viele mit dem neuen Lohnniveau bei Holzmann nicht mehr mithalten können. Schließlich haben 1999 rund 8000 Baufirmen Konkurs angemeldet; seit 1990 wurden in der Bauwirtschaft 800.000 Arbeitsplätze abgebaut.
Eine nur auf einen Betrieb bezogene Lösung kann es unter diesen Umständen nicht geben. Wo die Wiederherstellung des Flächentarifs zu schwierig erscheint, müssen (europaweit) gesetzliche Mindestlöhne her, die die Lohnkonkurrenz eindämmen. Und bevor Konzerne wie Holzmann scheibchenweise zerschlagen werden können, sollten sie der privaten Verfügungsgewalt und Profitsucht entzogen werden. Deutsche Bank in Volkes Hand!
Angela Klein
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