Sozialistische Zeitung |
Es gibt Momente, da bringen Arbeiter, die sonst mit Politik nichts zu tun haben, einen Konflikt besser auf den
Punkt als alle Politiker - einschließlich derer, die sich besonders gern als Sachwalter der kleinen Leute aufspielen.
Der 23.November war so ein Tag. Hunderte Holzmänner fordeten
vor der Deutschen Bank: "Deutsche Bank in Volkes Hand!" Dass die Banken eine finanzielle Rettungsaktion an vergleichsweise
Peanuts zu nennenden Summen scheitern lassen wollten - dieselben Banken, die zugleich Hauptaktionäre und Aufsichtsräte des
Konzerns und als solche mitverantwortlich für dessen Pleite sind -, brachte das Fass zum Überlaufen.
Die Zuspitzung auf die Banken trifft den Nagel auf den Kopf. Ohne die
Deutsche Bank läuft bei Holzmann schon seit der Gründerzeit im vorigen Jahrhundert nichts mehr. Die Bank wusste von dem
Mismanagement des alten Vorstands und spätestens seit Oktober auch von der jüngsten Milliardenlücke. Die Inszenierung der
Holzmann-Pleite war auf Konkurs angelegt: ein Rettungsversuch der Stadt Frankfurt platzte an einer "Liquiditätslücke"
von 149 Millionen DM.
Als die Stadt sich erbot, sie durch Geländekauf zu decken, wurde
dies kurzerhand vom Tisch gewischt: "Wir konnten nicht einmal Fragen stellen, wir konnten nur da sitzen und zugucken, wie mit unserem
Angebot umgegangen wurde", erklärte Bürgermeister Vandreike. Ein weiterer Rettungsversuch unter Hinzuziehung des
hessischen Ministerpräsidenten und der Hessischen Landesbank wurde gleichfalls abgebügelt, diesmal fehlten 250 Millionen DM.
Warum wollten die Banken Holzmann nicht retten? Die Sprachregelung in
der Presse lautet, es habe "bei den Kreditinstituten weithin an Vertrauen für das vom Holzmann-Vorstand vorgelegte
Sanierungskonzept gefehlt". Offener äußert sich das Handelsblatt: Es lag auf der Hand, "dass sich kaum einer der an
Holzmanns Schulden beteiligten Banken mit viel Enthusiasmus in die Rettungsaktion stürzen würde. Denn anders als seinerzeit bei
der Metallgesellschaft ging es hier nicht um ein neu anzupackendes Sanierungsprojekt mit schwer einschätzbaren Chancen und dem
leichten Prickeln des Glücksspiels. Vielmehr war der seit Jahren laufende Versuch, den Baukonzern zu reparieren, trotz starker
Bankenhilfe gescheitert. Und die neue Runde der Hilfsmaßnahmen sollte wohl nur dazu dienen, diese Hängepartie zu
verlängern."
Prickelnd wäre für die Banken gewesen, Holzmann wäre
in Konkurs gegangen und nur ein einziger Baulöwe, der Essener Konkurrent Hochtief, wäre übriggeblieben und hätte
sich aus der Konkursmasse die Rosinen herausgepickt. Nach ihren Maßstäben gibt es heute in Europa keinen Platz mehr für
zwei Bauriesen - einer muss weichen.
Dass die Banken kalten Blicks den Gang zum Konkursrichter anpeilen, um
eine Wettbewerbssituation zu bereinigen, ist neu - und die Provokation, die darin liegt, wurde von den Holzmännern, von den politischen
Parteien und von einer verbreiteten solidarischen Stimmung in der Öffentlichkeit heftig zurückgewiesen. Das ist eine neue
Qualität des Klassenkampfs von oben, die nicht zum Konzept der Einbindung der Gewerkschaften in langfristig angelegte
Deregulierungsstrategien passt.
Umgekehrt aber passt die Reaktion der Regierung und der Parteien nicht
zum neoliberalen Dogma. Das Flaggschiff des Neoliberalismus, die Londoner Financial Times, geißelte Schröders Eingreifen als
Rückfall in altmodischen Interventionismus und als Versuch, "Parteipolitik mit Unternehmen zu betreiben". Das ist nicht nur
eine englische Sichtweise. Auch der Deutsche Industrie- und Handelstag ließ sich vernehmen: "Die hohe Zahl von
Arbeitsplätzen, die mit dem Schicksal eines einzigen großen Unternehmens verbunden sind, darf nicht zum entscheidenden
Kriterium für Staatsinterventionismus werden."
Jetzt haben die Banken den Baukonzern nahezu vollständig
übernommen. Wer wird sie nun daran hindern, das, was sie auf einen Streich nicht durchbekommen haben, fortan scheibchenweise
durchzusetzen? Die Situation bleibt ja: Es ist kein Platz für zwei Bauriesen.
Die Angst der Holzmänner, an Weihnachten mit dem Entlassungsbrief
dazustehen, ist verständlich, somit auch ihre Reaktion, alle Preisbrecherrekorde zu brechen und dem vorübergehenden Erhalt des
Arbeitsplatzes Lohnniveau und Tarifgefüge zu opfern - ohne Rücksicht auf die Kollegen, die in anderen Bauunternehmen arbeiten.
Von der Gewerkschaft, die die labile Situation im Baugewerbe kennt, konnte man eine Politik mit längerem Atem erwarten.
Denn was ist davon zu halten, wenn der Chef der IG BAU, Klaus
Wiesehügel, das Verzichtsangebot der Kumpel (Streichung von 5000 Arbeitsplätzen, wenn die Beteiligungsgesellschaften
mitberücksichtigt werden, Schließung von 23 der derzeit 37 Niederlassungen, Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 39
auf 43 Stunden und Verzicht auf 6% Lohn) erst mitdurchsetzt und eine Woche später als Aushebelung des Tarifrechts und
Tarifvertragsbruch geißelt? Unter dem Strich beläuft sich der Beitrag der Belegschaft zur "Sanierung" des Konzerns auf
16% Lohnverzicht und 245 Millionen Mark - zum Vergleich: die Bundesregierung trägt 250 Millionen bei, die Banken netto 200
Millionen!
Aber diese Sorte von Rettungsversuch setzt den Hebel an einer völlig
falschen Stelle an: Holzmann ist nicht wegen besonderen Mismanagements pleite gegangen. Holzmann hat unter dem verschärften
Konkurrenzdruck der 90er Jahre das getan, was zig andere Konzerne und Industrieunternehmen auch tun: Das Unternehmen arbeitete mit
Dumpingpreisen, um an Aufträge zu kommen und vor allem kleinere Konkurrenten auszustechen, und es hat sich konkurriernde Baufirmen
einverleibt, bis es sich überfressen hat. Dieses Verhalten wird durch den Wettbewerb diktiert und findet sich in der Bauindustrie nicht
weniger als in der Computerindustrie, der Lebensmittelindustrie und vielen anderen.
Holzmann ist ein besonders klarer Spiegel dessen, wohin das Gesetz der
kapitalistischen Konkurrenz steuert. Diese Krankheit lässt sich auf Dauer nicht einmal mit drastischem Lohnverzicht heilen. Die
Arbeitsplätze bei Holzmann sind dadurch nicht sicherer geworden, aber die in anderen Baufirmen erheblich unsicherer. Schon hat die
Bauindustrie einen drohenden Verlust von 25.000 Arbeitsplätzen angekündigt, weil viele mit dem neuen Lohnniveau bei Holzmann
nicht mehr mithalten können. Schließlich haben 1999 rund 8000 Baufirmen Konkurs angemeldet; seit 1990 wurden in der
Bauwirtschaft 800.000 Arbeitsplätze abgebaut.
Eine nur auf einen Betrieb bezogene Lösung kann es unter diesen
Umständen nicht geben. Wo die Wiederherstellung des Flächentarifs zu schwierig erscheint, müssen (europaweit) gesetzliche
Mindestlöhne her, die die Lohnkonkurrenz eindämmen. Und bevor Konzerne wie Holzmann scheibchenweise zerschlagen werden
können, sollten sie der privaten Verfügungsgewalt und Profitsucht entzogen werden. Deutsche Bank in Volkes Hand!
Angela Klein
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