Sozialistische Zeitung |
Es war ein Versprechen des rot-grünen Koalitionsvertrags: Für lange in der BRD lebende
Flüchtlinge und Asylbewerber sollte eine "humanitäre" Lösung gefunden werden, d.h. es sollte ihnen eine
Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Flüchtlinge und gutgläubige Gruppen aus der Flüchtlingsarbeit warteten deshalb schon
lange voller Hoffnungen auf eine diesbezügliche Regelung.
Am 18./19.November war es so weit. Die Konferenz der Innenminister der
Länder wollte in Görlitz endlich einen Beschluss in dieser Sache fassen. Es sollten nicht allzu viele Menschen in den Genuss des
Bleiberechts kommem. Aus Kreisen der Innenministerkonferenz wurde die Zahl 20.000 genannt. Schily ging vor der Konferenz sogar davon aus,
dass es in diesem Punkt wahrscheinlich zu keiner Enigung kommen würde.
Doch es gab eine Einigung. Sie schließt sich mehr oder weniger
nahtlos an die "Altfalllösung" von 1996 unter dem Vorsitz von Bundesinnenminister Kanther (CDU) an. Auch damals wurde
von der Innenministerkonferenz die Zahl 20.000 "Begünstigter" genannt. Inzwischen liegt das Ergebnis vor: Nur etwa 7800
Flüchtlinge erhielten aufgrund der Altfalllösung 1996 das Bleiberecht in der BRD.
Für die jetzige Altfalllösung prognostiziert Pro Asyl, dass
höchstens 5000 Flüchtlinge bundesweit ein befristetetes Bleiberecht erhalten werden. "Das ganze Geheimnis, warum der jetzt
verabschiedete Text für alle Innenminister als Kompromiss akzeptabel war, liegt darin, dass er jedem Bundesland weitgehende
Interpretationsspielräume eröffnet, um die Zahl der Begünstigten gegen Null zu treiben", fasst Heiko Kaufmann,
Pressesprecher von Pro Asyl, die Einigung zusammen.
Die Regelung gilt grundsätzlich nicht für BosnierInnen,
Kosovo-AlbanerInnen und Bürger der Bundesrepublik Jugoslawien. Gleichgeblieben sind weitgehend auch die
"Integrationsbedingungen": Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis für höchstens zwei Jahre setzt die
Unabhängigkeit von Sozialhilfe und die Verfügung über ausreichenden Wohnraum voraus.
Die geforderten Aufenthaltszeiten (Familien mit Kinder müssen vor
dem 1.6.93, Alleinstehende und kinderlose Paare vor dem 1.1.90 eingereist sein) ein dreiviertel Jahr länger als 1996.
Eine absolute Verschärfung der rot-grünen Altfallregelung
gegenüber Kanthers Werk von 1996 ist die Einführung der Stichtagsregelung 19.11.99, an dem die Integrationsbedingungen
erfüllt sein müssen. Das bedeuted im Klartext: Anders als 1996 gibt es keine Übergangsfrist für die Flüchtlinge,
in der sie sich noch um einen Job oder eine Wohnung kümmern können.
Dazu muss mensch wissen:
1. In vielen Regionen der BRD wurde den Flüchtlingen generell
keine Arbeitserlaubnis erteilt.
2. In den meisten übrigen Regionen besteht ein faktisches
Arbeitsverbot durch die "Arbeitsmarktprüfung" der Arbeitsämter (= keine Erteilung einer Arbeitserlaubnis wegen des
Vorrangs der Vermittlung deutscher und EU-Arbeitsloser für jeden vom Flüchtling selbst gefundenen Arbeitsplatz).
3. Für alle Flüchtlinge galt, dass sie nicht in Gebiete umziehen
durften, wo aufgrund der Arbeitsmarktlage die Wahrscheinlichkeit größer war einen Job zu finden. Vor diesem Hintergrund ist die
Stichtagsregelung schlicht eine menschenverachtende und zynische Gemeinheit.
Die wenigen Stellen, an denen der aktuelle Text für kleine
Flüchtlingsgruppen kleine Verbesserungen bringt, sollen trotzdem nicht verschwiegen werden. "Illegale Einreise und kurzzeitiger
illegaler Aufenthalt (drei Monate) schaden nicht", "Geldstrafen bis zu 50 Tagessätzen können außer Betracht
bleiben", heißt es in der Vereibarung. Und die Regelung ist auf die ehemaligen Kontraktarbeiter in den neuen Bundesländern
ausgedehnt worden. Sie waren 1996 ausgeschlossen worden.
Selbstverständlich hat auch diese Vereinbarung juristische
Interpretationsspielräume. Engagierte JuristInnen können von daher im Interesse der Flüchtlinge mit dem Text arbeiten.
In den einzelnen Bundesländern müssen in der nächsten
Zeit die Ausführungsbestimmungen formuliert werden. In diesen Prozess werden sich Unterstützergruppen sicherlich noch
einschalten, um kleine Verbesserungen zu erstreiten. In Bayern geht das allerdings nicht mehr. Dort sind sie schon längst
veröffentlicht. Wahrscheinlich lagen sie zum Zeitpunkt der Innenministerkonferenz schon fertig in der Schublade.
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